Sind wir ein säkularer Staat, eine weltliche Gesellschaft oder lassen wir uns von der Kirche noch mit Ablassbriefen und Buß-Hausaufgaben für unreine Gedanken unterjochen? Das Tanzverbot an Karfreitag ist nicht mehr zeitgemäß, denn die Kirche ist es nicht mehr. Nicht als moralische Instanz (Da eignet sich die Philosophie besser als zehn Gebote) und auch nicht als gemeinschaftsstiftendes Element. Natürlich erfüllt Religion für viele Menschen noch diese Funktionen, aber eben nicht für alle und für die Mehrheit wohl erst recht nicht.
Was die einen in einem Gottesdienst an Sinnstiftung erfahren, erfahren andere in einem Klub mit Musik, Menschen und Tanz. Beides kann nebeneinander existieren und kommt man am Sonntagmorgen nach Hause und will schlafen, dann kann das Glockengeläut ebenso nervtötend sein, wie wummernder Bass. Bisher sind keine Gesetzentwürfe bekannt, die Kirchturmglocken in Hörweite verbieten wollen.
Tanzlokale, Klubs und Discos sind stark reguliert, dürfen eher nicht in Wohngebieten stehen und unterliegen vielen anderen Regeln. Die reichen – auch für Karfreitag. Denn wie viele Christen unter den Christen können denn wirklich behaupten, es würde ihre religiösen Gefühle verletzen, wenn jemand am (angeblichen) Todestag des (angeblichen) Heilands gute Laune hat und diese ausdrückt? Und wie viele dieser ernsthafteren Christen wohnen in unmittelbarer Nähe einer Tanzstätte, so dass sie mit dem gotteslästerlichen Treiben überhaupt konfrontiert wären? Es dürften wahrlich wenige sein.
Wenn es aber nicht die persönliche Betroffenheit ist, mit welchem Recht schreibt eine Minderheit der Mehrheit vor, wann und wie sie zu feiern hat? Es wirkt mehr wie der verzweifelte Versuch, den eigenen Machtanspruch und die eigene Relevanz zu untermauern. Beides schwindet seit dem Mittelalter in zunehmenden Tempo. Den Kirchenstaat gibt es nicht mehr. Und das ist gut. Der Gesetzgeber muss sich weiter von der Kirche emanzipieren und das Tanzverbot abschaffen – oder es weltlich argumentieren.
An dieser Stelle wird dann immer wieder eingeworfen, dass wir ja alle gern die christlichen Feiertage mitnehmen. Stimmt. Nicht alle nehmen sie aber mit, weil sie christlich sind. Ob wir wegen angeblicher religiöser Wunder frei haben oder ob wir mit einem Feiertag die Aufklärung oder die Erfindung des Internets feiern, ist erstmal egal: frei ist frei. Der Unterschied wäre: Agnostiker können besser feiern und sind lebensfroher,als büßende, trauernde, lustfeindliche Kirchengänger. Das Tanzverbot zu kippen, ist nur ein Schritt. Als nächstes gilt es, kirchliche Feste in weltliche Feiertage umzuwidmen. Einer modernen Gesellschaft im Jahr 2019 stünde das gut zu Gesicht.